Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!
Serie: | Bibeltext: Apostelgeschichte 16,23-34
Das Kirchenjahr
Nicht nur Weihnachten, Ostern, Auffahrt und Pfingsten sind im Kirchenjahr fest eingeplant. Auch die restlichen Sonntage im ganzen Jahr und speziell die Sonntage zwischen Ostern und Pfingsten haben jeweils ein Thema. Ausgehend von diesem Thema haben die Sonntage dann auch einen Namen. Der heutige Sonntag heisst: «Kantate». Der Name kommt von lateinischen Übersetzung des Psalm 98,1: «Cantate Domino canticum novum». Auf deutsch: «Singt dem Herrn ein neues Lied.»
Der ganze Psalm 98 ist geprägt vom Jubel über Gott den Retter, der Heil schafft und eines Tages die Erde gerecht richten wird. So heisst der ganze erste Vers denn auch:
«Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.» Psalm 98,1 (Luth 2017)
Als Predigttext zu diesem Psalmvers wurde dann aus dem Neuen Testament Apostelgeschichte 16,23-34 ausgewählt.
Die Situation sieht so aus, dass Paulus auf seiner zweiten Missionsreise zusammen mit Silas europäischen Boden betreten hat. Ein Engel hatte Paulus den Auftrag gegeben, rüber in das damalige Grossreich Mazedonien zu kommen.
In Philippi (im heutigen Griechenland) treibt Paulus den Wahrsagegeist einer Sklavin aus. Das gefällt ihrem Besitzer gar nicht, weil so seine gute Einnahmequelle versiegt. Und so bringt er Paulus und Silas vor die Behörden. Dort werden sie ohne richtigen Prozess ausgepeitscht und ins Gefängnis geworfen. Das ist die Ausgangslage von unserm Predigttext. (Apostelgeschichte 16,23-34 lesen)
Lobpreis im Gefängnis
Paulus und Silas werden nicht nur eingesperrt, sondern ihre Füsse werden zusätzlich in den sogenannten Block eingeschlossen. Das ist einerseits ein Folterinstrument, denn so kann man sich nur sehr eingeschränkt bewegen und hat zusätzliche Schmerzen. Anderseits verhindert der Block sehr wirkungsvoll eine Flucht der Gefangenen.
Wenn man sich das so überlegt, dann muss man sagen, sehr viel schlechter könnten die Umstände kaum sein! Zuerst ausgepeitscht, also offene, schmerzende Wunden, die Füsse im Block, eingesperrt in ein dunkles und vermutlich recht schmutziges Gefängnis. Wirklich übel.
Trotzdem entscheiden sich Silas und Paulus auch in dieser Situation zu Gott zu beten und ihn zu loben. Es heisst ausdrücklich, dass sie dies um Mitternacht gemacht haben. Ich gehe mal stark davon aus, dass sie wohl nicht richtig schlafen konnten.
Persönlich finde ich das eine grosse Herausforderung: Würde ich in so einer Situation Gott loben? Wäre mir noch zum Singen und Beten zu mute?
Das einzige positive an der Situation, das mir einfällt ist, dass die beiden nicht alleine sind. Gerade in so einer schwierigen Situation ist Gemeinschaft sehr wertvoll! Gemeinsam war es für Silas und Paulus bestimmt einfacher die Situation auszuhalten und eben auch gemeinsam sich für den Lobpreis und das Gebet zu entscheiden.
Bekehrung
Die dritte Person neben Paulus und Silas ist der Gefängnisaufseher. Wir erfahren nicht viel über diesen Mann. Offenbar arbeitete er für die Römer. Wir finden aber keinen Hinweis auf seine Nationalität. Wahrscheinlich ist er ein Einwohner von Philippi. Das würde bedeuten, dass er mit dem Glauben an die griechischen oder römischen Götter aufgewachsen ist. Ob er persönlich an diese Götter geglaubt hatte oder ob er von ihnen enttäuscht wat, das wissen wir nicht. Was wir aber im Text sehen ist, dass er aber für den Glauben offen war.
In dieser Nacht hatte er zuerst den Schreck seines Lebens gehabt. Er war ja persönlich für die Gefangenen verantwortlich gemacht worden. Nach römischem Recht haftete der Wächter mit seinem Leben für den Gefangenen. Aus einer anderen Stelle in der Apostelgeschichte wissen wir, dass Wachen durchaus hingerichtet wurden, wenn ihnen ein Gefangener entkam (vgl. Apg 12,19). Von daher ist es verständlich, dass der Aufseher sich zunächst gleich selber das Leben nehmen will, dass er dann aber extrem erleichtert ist, als er erfährt, dass alle Gefangenen noch da sind.
Dieses Erlebnis hat sicher mit dazu beigetragen, dass der Aufseher nun sehr offen ist für die Botschaft von Paulus. Er ist quasi «vorbereiteter» Mensch, oder um es mit anderen Worten zu sagen: er ist ein Mensch des Friedens. Jesus hatte ja seine Jünger losgeschickt, um die frohe Botschaft zu verkünden. Sie sollen bei den Menschen bleiben, die offen sind für das Evangelium (vgl. Matthäus 10,5ff) und ihnen Frieden bringen.
Der Aufseher hatte quasi ein doppeltes Wunder erlebt. Zum einen wurden die Gefängnistüren und Ketten der Gefangenen durch ein Erdbeben geöffnet, ohne dass das Gefängnis selber kaputt ging. Und zum anderen war trotzdem keiner der Gefangener weggelaufen.
Auch hier bleibt es unklar, wer alles noch im Gefängnis ist und was mit den anderen Mit-Gefangenen geschieht. Wurden mit Paulus und Silas noch andere Christen gefangen genommen? Oder waren sonst noch andere unschuldig im Gefängnis? Weshalb laufen die anderen Gefangenen nicht weg, als die Türen aufgehen? Sind auch sie von Paulus und Silas so beeindruckt, dass sie blieben? Und werden sie später wieder eingesperrt? All das erfahren wir nicht.
Aber wir erfahren, was dieses Erlebnis beim Aufseher ausgelöst hat. Es weckt in ihm unmittelbar die Frage: «Was muss ich tun um gerettet zu werden?» Auf diese Frage gehen Paulus und Silas natürlich noch so gerne ein. Sie tun es nach dem Auftrag, den Jesus ihnen vor seiner Rückkehr in den Himmel gegeben hatte:
«Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.» Matthäus 28,19-20 (NGÜ)
Lehre
Paulus und Silas erklären dem Wärter und seinem ganzen Haus das Evangelium. Wir wissen nicht, was alles der Mann allenfalls schon zuvor wusste. Vielleicht hatte er z.B. durch andere Juden am Ort von Gott erfahren?
Auf jeden Fall waren es wohl v.a. die Grundlagen des Evangeliums, welche Paulus und Silas dem Aufseher und seiner Familie in der kurzen Zeit erklären konnten.
Taufe
Die Taufe ist dann der dritte Teil des Missionsauftrages (Teil eins, hingehen in alle Welt haben sie mit ihrer Reise ja schon begonnen).
Kaum hat der Aufseher die gute Botschaft erfahren, wird er praktisch: Er dient Paulus und Silas, indem er ihnen die Wunden am Rücken, die von den Peitschenhieben kommen, wäscht. Und anschliessend lässt er sich taufen. Sein Glaube bleibt also nicht einfach Theorie, sondern wirkt sich unmittelbar aus.
Spannend finde ich, dass der Aufseher nicht zuerst noch «beweisen» müsste, dass er nun schriftgemäss lebt. Sondern er und mit ihm alle, die in seinem Haus leben, lassen sich kurzerhand taufen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir heute oft viel zu lange mit der Taufe warten. Als Freikirche taufen wir ja keine Säuglinge, weil die nicht selber entscheiden können, dass sie sich gerne taufen lassen würden. Und das finde ich angebracht so. Aber dann warten viele junge Menschen, die schon seit ihrer Kindheit eine Gemeinde besuchen und sich für den Glauben an Jesus Christus entschieden haben, oft sehr lange, bis sie sich taufen lassen. Oder Menschen, die neu sich für ein Leben mit Jesus Christus als ihrem persönlichen Retter entscheiden, haben den Eindruck, dass sie erst noch beweisen müssten, dass sie nun Jesus nachfolgen.
Dabei folgt die Taufe, wie wir hier am Beispiel von diesem Gefängnisaufseher erfahren, sehr direkt auf die Entscheidung, dass jemand ernsthaft Jesus nachfolgen will. Die Taufe ist eigentlich ein Anfang im Glauben und kein Abschluss oder auch nichts, was man sich erst «verdienen» müsste oder so. Sicher, die Taufe setzt voraus, dass man sich entschieden hat, dass man ernsthaft Jesus nachfolgen will. Aber zugleich bedeutet die Taufe ja auch, dass man anerkennt, dass man dies nicht aus eigener Kraft schafft, sondern die Hilfe von Jesus dazu braucht.
In etwas mehr als einem Monat, am 26. Juni, findet wieder ein Gemeindefest in Sempach am See statt. Das wird wieder eine Gelegenheit sein für die Taufe. Wenn du nicht getauft bist, dann möchte ich dir Mut machen: überlege dir, was dich hindert, diesen Schritt konkret zu gehen! Für diesen im Glauben noch so unerfahrenen Gefängnisaufseher war es völlig klar, dass er sich taufen lassen will. Wieso sollte es für dich nicht auch klar sein? Und wenn du noch Fragen rund um die Taufe hast, dann darfst du dich sehr gerne bei Ben oder mir melden. Wir nehmen uns wirklich sehr gerne die Zeit, um Fragen zur Taufe zu klären!
Am Schluss unseres Textes heisst es, dass der Aufseher überglücklich war, dass er und sein Haus zum Glauben an Gott gefunden hatten. Wir wissen nicht, wie sich diese Freude geäussert hat – aber es wäre gut möglich, dass nun auch der Aufseher und die Menschen in seinem Haus Gott mit Gebeten und mit Lobpreis die Ehre gegeben haben.
Falls dem so war, dann haben der Gefängnisaufseher und seine Leute genau das getan, was im Psalm 98 steht: «Singt dem Herrn ein neues Lied».
Amen.